Pflegeheimbewohner dank „HeimDoc“ gut versorgt Kreiskliniken Reutlingen stellen landesweit einzigartiges Modellprojekt vor.Reutlingen I 06.12.2023 – Wenn ältere Menschen ins Pflegeheim kommen reißt häufig die hausärztliche Versorgung ab, da auch die niedergelassenen Praxen mit erheblichen Personalproblemen zu kämpfen haben. Diese fehlende ärztliche Anbindung führt dazu, dass eine erforderliche Diagnostik und Behandlung bei den betagten Heimbewohnern erst mit Zeitversatz stattfindet, wenn sich die Symptome des Patienten unter Umständen bereits deutlich verschlechtert haben. Zudem werden dann Strukturen wie der Rettungsdienst oder die Notaufnahmen der Krankenhäuser fälschlicherweise in Anspruch genommen, was für die Kliniken ein erhöhtes Patientenaufkommen und für die Bewohner zusätzlichen Stress bedeutet.Um diesem Problem entgegenzuwirken haben die Kreiskliniken Reutlingen ein neuartiges Konzept entwickelt, mit dem die Bewohner von Pflegeheimen auch ohne Gang in die Notaufnahme hausärztlich gut versorgt sind. Kern des Konzeptes, das durch das ambulante Medizinische Versorgungszentrum (MVZ II) der Kreiskliniken getragen wird, ist die medizinische Versorgung von Heimbewohnern sowohl in der Dauerpflege als auch in der Kurzzeitpflege, die entweder keinen eigenen Hausarzt (mehr) haben oder die aufgrund der Entfernung vom ursprünglichen Wohnort nicht mehr von ihrem Hausarzt betreut werden können. „Dies ist ein Prestigeprojekt, das so im Land einzigartig ist und zeigt, dass wir nicht die Hände in den Schoß legen und uns unserem Schicksal ergeben, sondern aktiv an einer Verbesserung der Situation mitwirken, auch im ambulanten Sektor", so Prof. Dr. Jörg Martin, Vorsitzender Geschäftsführer der Kreiskliniken Reutlingen.Videosprechstunde und TelemedizinDas Team aus Fachärzten und medizinischen Fachangestellten (MFA) führt bei akuten medizinischen Problemen die Diagnostik und Therapie via Videosprechstunde und Telemedizin durch. Zunächst wird im Zuge des digitalen Arzt-Patienten-Kontakts mit telemedizinischen Tools, wie einem digitalen Stethoskop oder einem mobilen EKG, die erforderliche Diagnostik durchgeführt, im Anschluss können über den direkten Zugriff auf das Dokumentationstool des Pflegeheims die entsprechenden ärztlichen Anordnungen veranlasst werden. Sollte sich im Rahmen der Sprechstunde ein umfassenderer Behandlungsbedarf ergeben, so können weitere Eskalationsstufen vom Besuch eines Arztes im Heim, bis zur stationären Einweisung ins Krankenhaus festgelegt werden.„Wir tragen mit dem Projekt aktiv dazu bei, die Situation in den Pflegeheimen in Bezug auf die medizinische Versorgung zu verbessern und damit auch dem Heimpersonal eine gewisse Last zu nehmen und Rechtsicherheit zu geben. Gleichzeitig erreichen wir, dass Patienten, denen der Gang in die Notaufnahme erspart werden kann dort auch nicht landen, was eine gewisse Entlastung für unser Personal bedeutet", sagte Dominik Nusser, Geschäftsführer der Kreiskliniken Reutlingen bei der offiziellen Vorstellung des Projektes, bei dem sich auch die eigens angereisten Vertreter des Sozialministeriums Baden-Württemberg begeistert von der Reutlinger Initiative zeigten.Erfolgreiches Pilotprojekt mit der RAH AltenhilfeUm das Konzept erfolgreich in der Praxis auszurollen, läuft bereits seit einigen Monaten gemeinsam mit der RAH Reutlinger Altenhilfe ein Pilotprojekt im Pflegeheim Haus Georgenberg. „Das Projekt HeimDoc ist eine wertvolle Ergänzung zur bestehenden Hausarztversorgung. Der Nutzen besteht vor allem in einer kurzfristigen und geregelten Verfügbarkeit ärztlicher Konsultation. In der Praxis kommt es oft zu Symptomentwicklungen bei Bewohnern und der zuständige Hausarzt ist nicht greifbar oder es wird für einen Bewohner zur Kurzzeitpflege erst gar kein Hausarzt gefunden. Unsere Pflegefachkräfte können durch das Projekt systematisiert auf eine medizinische Ressource zugreifen und umgehend Klärungen in Fragen der Therapie herbeiführen. Dies entlastet die Pflegefachkräfte in ihrer täglichen Arbeit und hat einen sofortigen positiven Effekt auf die Bewohnerversorgung", erläutert der RAH Geschäftsführer Timo Vollmer.Das Konzept beinhaltet vier wesentliche Bausteine. Neben einer täglichen Videosprechstunde zur Abklärung von akuten Symptomen, werden wöchentlich Hausbesuche von speziell geschultem, nicht-ärztlichem Personal durchgeführt, die per Videoschalte durch einen Arzt begleitet werden. Ebenso wird es die Möglichkeit von ungeplanten notfallmäßigen Videosprechstunden geben sowie die Einbindung von geriatrischen Fachärzten durch eine enge Vernetzung mit der geriatrischen Institutsambulanz am Reutlinger Steinenberg. „Der Bedarf ist groß und wir erhalten bereits heute zahlreiche Anfragen von weiteren Trägern der Altenhilfe aus der Region", ergänzt Nusser abschließend.Die 96-jähirge Heimbewohnerin (im Bildschirm) ist auch ohne Gang in eine Praxis oder gar ins Krankenhaus gut versorgt. Dafür sorgt Dr. Zsuzsa Märkle mit ihrem Team des ambulanten MVZ II der Kreiskliniken Reutlingen.